Das Projekt AutARK ist ein vom BMAS gefördertes Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Mensch-Computer Interaktion an der Technischen Universität Dresden. Es hat eine Laufzeit von 3 Jahren mit Beginn zum 01.01.2023 und beschäftigt insgesamt vier Mitarbeitende.
Das Ziel des Projektes AutARK ist es, die Erwerbsfähigkeit und -tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt von Menschen im Autismus-Spektrum durch die Entwicklung technischer Assistenzsysteme im beruflichen Arbeitsalltag zu verbessern und zu erhalten. Im Projekt wird ein innovatives, adaptives Filtersystem entwickelt, das Menschen aus dem Autismus-Spektrum am Arbeitsplatz bedarfsgerecht vor Reizüberflutung und damit vor Stress und Überforderung schützt. Dabei wird ein spezielles Active-Noise-Cancellation-Verfahren implementiert, das bspw. den Kontext einer konkreten Gesprächssituation erfasst und adaptiv irrelevante Signale herausfiltert. Zudem wird angestrebt, autistische Menschen mit Hilfe tragbarer Geräte bedarfsgerecht in verbalen Gesprächssituationen zu unterstützen. Darüber hinaus soll mittels haptischer, natürlicher Interaktionsmodalitäten die Aufgaben- und Terminplanung verbessert und so ein störungsarmes und strukturiertes Arbeiten ermöglicht werden. Im Projekt AutARK ist die menschzentrierte Entwicklung eines Modellsystems geplant, das mit KI-basierten technischen Ansätzen von autistischen Menschen vielseitig im Arbeitsalltag erprobt werden soll.
Auf dieser Seite erhalten Sie nähere Informationen zum Forschungsprojekt, die in folgende Bereiche aufgeteilt sind:
Zielgruppe: Menschen im Autismus-Spektrum
Adressiert werden vor allem Menschen im Autismus-Spektrum, die trotz guter Aus- oder Schulbildung arbeitssuchend oder voll erwerbsunfähig sind und auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein möchten. Dies schließt ebenso Personen ein, die sich in einer Aus- oder Weiterbildung befinden oder diese absolvieren möchten, um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein zu können. Arbeitssuchenden Personen soll das Projekt und deren Auswirkungen ermöglichen, eine bedarfsgerechte Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Auch für Arbeitnehmer:innen aus dem Autismus-Spektrum sollen die Projektergebnisse dienen, indem diese durch bedarfsgerechte Arbeitsbedingungen ihre Anstellung und Arbeitszufriedenheit sichern können.
Zielsetzung ist es, die beschriebene Zielgruppe besser in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, dessen Arbeitsumgebungen und -bedingungen selten den Bedarfen von autistischen Menschen entsprechen. Des Weiteren sollen auch Arbeitgeber:innen sowie alle Arbeitnehmer:innen, die aktuell oder zukünftig mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum zusammenarbeiten, adressiert werden. Sie profitieren durch eine verbesserte Zusammenarbeit, wodurch wiederum auch die Akzeptanz und der positive Umgang mit autistischen Menschen am Arbeitsplatz gefördert und deren Fähigkeiten produktiv eingesetzt werden können.
Als weitere Multiplikator:innen können Berufsbildungswerke sowie Bundesverbände, wie der Bundesverband Autismus, von den Ergebnissen profitieren, da sie mit Hilfe der Erkenntnisse des Projektes Menschen aus dem Autismus-Spektrum besser beraten und fördern können.
Problemstellung
Mindestens ein Drittel der arbeitsfähigen Menschen aus dem autistischen Formenkreis ist ohne Arbeit. Während viele Ansätze und Projekte die Integration von Menschen im Autismus-Spektrum in den 2. Arbeitsmarkt bzw. die Arbeit in geschützten Werkstätten adressieren, fühlen sich dort gerade Personen mit hochfunktionalem Autismus häufig unterfordert. Außerdem werden nicht alle Werkstätten und dortigen Arbeitsplätze den Bedürfnissen von Menschen im Autismus-Spektrum gerecht. Zwar existieren spezielle Werkstätten für autistische Menschen, diese sind jedoch gerade für arbeitsfähige Personen stark stigmatisierend und können für die Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sogar hinderlich sein. Mit 65% geht der überwiegende Teil der Autist:innen dauerhaft einer Beschäftigung in solchen Werkstätten nach (Quelle: BAG WfbM). Schätzungsweise gehen nur 5% bis 12% der arbeitsfähigen Menschen aus dem Autismus-Spektrum einer Festanstellung auf dem 1. Arbeitsmarkt nach1. Dabei streben häufig gerade hochfunktionale Personen aus dem Autismus-Spektrum eine Beschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt an (Quelle: LVR – Integrationsamt).
Probleme entstehen häufig aufgrund fehlender Betreuung, ungeeigneter Arbeitsplatzumgebung sowie zu hohen Anforderungen. Herausfordernde Arbeitsbedingungen wie Zeitdruck, Informationsüberflutung, hohe kommunikative Anforderungen, viele sensorische Reize sowie die Forderung nach einem hohen Maß an Flexibilität, sind äußere Faktoren, die einer tatsächlichen Integration entgegenstehen. Dies erschwert es autistischen Menschen finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Um einer gleichberechtigten Teilhabe von autistischen Menschen gerecht zu werden, müssen deshalb geeignete Maßnahmen und Vorkehrungen am Arbeitsplatz getroffen werden, um die Beschäftigungsmöglichkeiten von Autist:innen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern.
Bisher fehlt es an konkreten, bedarfsgerechten, adaptierbaren und kontextsensitiven assistiven Technologien, die insbesondere das Aufgaben- und Zeitmanagement, die Reduktion von Stressoren und äußeren Faktoren sowie die soziale Kommunikation im Arbeitsalltag unterstützen.
1 Dalferth, M. (2017): Zur Beschäftigungssituation von Menschen aus dem autistischen Spektrum in Deutschland und in westlichen Gesellschaften. In: Autismus, 83, S. 35–38.
Zielsetzung
Das Ziel ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Menschen aus dem Autismus-Spektrum und in Folge eine Erhöhung der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätigen autistischen Personen. Darüber hinaus soll die Unabhängigkeit von Autist:innen im Arbeitsalltag durch den Einsatz spezieller Anwendungen gefördert werden. Dies kann die Motivation vonseiten der Arbeitgeber:innen erhöhen, Menschen aus dem Autismus-Spektrum in ihren Unternehmen anzustellen.
Ziel des Projektes ist es zunächst zu identifizieren, wie autistische Menschen bei der Arbeit gewinnbringend mit technischen Assistenzsystemen unterstützt werden können, welche Modalitäten die geringste Ablenkung mit sich bringen und insofern geeignet für diese Zielgruppe sind. In diesem Kontext möchte das Projekt nicht nur Stakeholder (z. B. Arbeitgebende, Kolleg:innen, Arbeitsvermittlungen) für die Anstellung und Bedürfnisse von autistischen Menschen im Arbeitskontext sensibilisieren, sondern darüber hinaus anhand eines modellhaften Arbeitsplatzes aufzeigen, wie Autist:innen gewinnbringend in Arbeitsstrukturen integriert werden können. Im Projekt werden grundlegende Anforderungen bei der Verwendung technischer Systeme im Arbeitskontext analysiert. Diese Erkenntnisse können für weitere technische Entwicklungen in diesem Bereich genutzt werden.
Zudem werden Lösungsmöglichkeiten für Menschen aus dem Autismus-Spektrum aufgezeigt, indem technische Assistenzsysteme für konkrete Anwendungsfälle im Co-Design mit der Zielgruppe bzw. Stakeholdern entwickelt und getestet werden.
Folgende Bereiche werden im Projekt adressiert (vgl. folgende Abbildung):
- Reizreduktion: Reduktion von Reizen zur Vermeidung von Reizüberflutung
- Kommunikation: Unterstützung der verbalen und textuellen Kommunikation
- Aufgabenmanagement: Unterstützung der Strukturierung und Priorisierung im Aufgaben- und Zeitmanagement
Lösungsansätze
Im Projekt werden in einem Mensch-zentrierten Entwicklungsprozess technische Assistenzsysteme in Kombination mit u. a. Wearables (Computer, die am Körper getragen werden) zur Unterstützung von Autist:innen am Arbeitsplatz gemäß der oben genannten Teilziele realisiert. Die dabei erzielten Umsetzungen sollen an einem Modellarbeitsplatz erprobt und ihr positiver Effekt damit belegt sowie etwaige weitere Problemstellungen erörtert werden.
Zu Beginn des Projektes AutARK werden in enger Zusammenarbeit mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum und anderen Stakeholdern (z. B. Arbeitgeber:innen, Kolleg:innen) mit wissenschaftlichen Erhebungsmethoden Anforderungen und Herausforderungen bei der Kommunikation sowie Computerarbeit im Arbeitskontext erhoben. Dabei wird ein umfassender Anforderungskatalog entstehen, der die Grundlage zur Entwicklung der geplanten Unterstützungssysteme liefert und darüber hinaus auch zur Entwicklung weiterer Lösungen durch andere Personen genutzt werden kann.
Unterstützung der Kommunikation und Reizreduktion
Vor allem Gesprächssituationen mit mehreren Teilnehmenden oder Hintergrundgeräuschen sind für Autist:innen meist sehr herausfordernd. Die Reduktion dieser Ablenkung in verbalen, synchronen Gesprächssituationen (z. B. Besprechungen, Meetings, Dialoge) wird mit einem System bestehend aus einer Datenbrille und speziellen mobilen Geräten, sogenannten Wearables (z. B. Smartphone oder Smartwatch), unterstützt (vgl. Abbildung).
Die Datenbrille ermöglicht es, Gesprächsbeteiligte zu identifizieren sowie abhängig vom aktuellen Kontext nicht nur Hinweise zur Person, sondern auch zu sozialem Verhalten zu geben (z. B. Art der Ansprache, Name, Bekanntheitsgrad). Außerdem wird ein adaptiver Filter entwickelt, der auf Basis der aktuellen Gesprächs- und Umgebungssituation irrelevante Geräusche mittels Active-Noise-Cancellation (ANC) herausfiltert, um so die Konzentration auf Gesprächsinhalte zu ermöglichen.
Als Ergebnis ist ein modellhaftes System zu erwarten, das die verbale Kommunikation auf drei wesentlichen Ebenen unterstützt: 1. Reduktion von ablenkenden Geräuschen ermöglicht Fokus der Konzentration auf Gesprächssituation. 2. Unterstützungssystem beim Verständnis gesellschaftlicher Normen sowie sprachlichen Besonderheiten. 3. Unterstützung bei der Personenerkennung und -einordnung im Arbeitsumfeld.
Unterstützung beim Aufgaben- und Terminmanagement
Klassische Systeme zur Aufgabenplanung und -strukturierung sind für Personen aus dem Autismus-Spektrum häufig überfordernd. Deshalb wird im Projekt AutARK ein adaptives, interaktives System entwickelt, das das Aufgabenmanagement bedürfnisadäquat unterstützt (vgl. Abbildung). Auch das Zeitmanagement soll abhängig vom aktuellen Zustand und Kontext in Bezug zum Tagesplan erleichtert werden. Dabei sollen etablierte Planungsmethoden und Frameworks, wie bspw. Scrum, unterstützt werden. Die Vorgabe einer Planungsstruktur soll diesen Prozess vereinfachen. Die Durchführung wird durch kontextsensitive Erinnerungen unterstützt.
Realisiert wird ein natürliches Interaktionskonzept mit Tangibles (anfassbare, physische Interaktionsobjekte, z. B. interaktive Würfel) und Sprachinteraktion, wodurch störungsarme Benachrichtigungen realisiert werden können. Tangibles dienen hier zur Ein- und Ausgabe im Aufgabenmanagementsystem und darüber hinaus als Kommunikations- und Kollaborationsmedium und sollen die inklusive Zusammenarbeit im Team fördern. Sie können in diesem Sinne auch Kolleg:innen über den inneren Zustand, bspw. ob gerade Unterbrechungen unerwünscht sind oder Hilfe benötigt wird, informieren (z. B. über Farben, Position und Lage des Tangibles). Im Projekt werden verschiedene interaktive Tangibles mittels 3D-Druck und Elektronikbauteilen entwickelt und getestet. Dieses soll in bestehende Workflows so integriert werden, dass eine natürliche Interaktion mit geringem Ablenkungsgrad zur Planung und Strukturierung von Aufgaben erreicht werden kann. Zusätzlich wird der Fortschritt der bearbeiteten Aufgaben mit Tangibles niederschwellig abgebildet und mit dem strukturierten Tagesplan verknüpft.
Onlinefassung des AutARK-Flyers
Hier finden Sie die Onlinefassung des AutARK-Flyers.